Vom Papierzeugnis zum digitalen Bildungsnachweis

Die EU-Kommission hat im Oktober 2021 offiziell ihre Initiative der Europäischen Digitalen Bildungsnachweise (European Digital Credentials for Learning) gestartet. Damit stellt sie einen europäischen Standard zum Ausstellen, Speichern, Verifizieren und Teilen von digitalen Zeugnissen und Zertifikaten bereit. Die Initiative ist eng verknüpft mit Europass, denn im Europass-Portal können Nutzerinnen und Nutzer solche Zertifikate in ihrer Online-Bibliothek speichern und im Rahmen von Bewerbungen teilen.  

Die EU-Kommission steht Rede und Antwort zu der neuen Intiative. Erschienen ist das Interview im Journal der NA beim BIBB Nr. 2022/36: Digitale Transformation gestalten - mit Erasmus+.

 

Warum sollten Bildungseinrichtungen ihre Zertifikate digitalisieren?

Die Digitalisierung von Zeugnissen und Zertifikaten bringt Bildungseinrichtungen viele Vorteile. Nach einem anfänglichen Aufwand zur erstmaligen Einrichtung der Software kann die Umstellung auf digitale Bescheinigungen die Kosten für deren Ausstellung signifikant senken. Sie kann ferner dazu beitragen, spätere Aufgaben wie die Bereitstellung von beglaubigten Kopien oder die Überprüfung der Gültigkeit und Echtheit der mit Bewerbungen eingereichten Nachweise zu verringern. Digitale Bildungsnachweise nach dem internationalen Standard der Verifiable Credentials sind sicher und können nicht manipuliert werden. Bildungseinrichtungen werden auch in der Lage sein, die Nachweise von Lernenden besser zu verstehen. Schließlich kann die Digitalisierung von Zeugnissen den Einrichtungen helfen, einen weiteren Schritt in ihrem digitalen Transformationsprozess zu gehen.
 

Können digitale Bildungsnachweise auch für nicht-formale und informelle Lernerfahrungen erstellt werden?

Europäische Digitale Bildungsnachweise (EDB) können für jede Lernleistung ausgestellt werden. Sie sind so konzipiert, dass sie eine gemeinsame Sprache für verschiedene Arten von Nachweisen wie Qualifikationen, Leistungsnachweise und Zeugniserläuterungen bieten. Sie können auch für berufliche Nachweise, Arbeitszeugnisse und jede andere Art von Lernbestätigungen verwendet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Lernergebnisse aus formalem, informellem oder nicht-formalem Lernen resultieren. Entscheidend ist das Lernergebnis selbst, einschließlich der dabei erworbenen Fähigkeiten. Mehrere Organisationen nutzen EDB bereits für nicht-formales und informelles Lernen – zum Beispiel das Erasmus Student Network (ESN), das EDB für die Ausstellung von nicht-formalen Zertifikaten für Schulungen nutzt, die es für seine Mitglieder organisiert.
 

Welche Vorteile haben Lernende davon?

Lernende können ihre Europäischen Digitalen Bildungsnachweise in der Online- Bibliothek ihres Europass-Profils oder in einer anderen digitalen Brieftasche sowie auf einem PC ihrer Wahl speichern. Die Online-Bibliothek von Europass ist Teil des ePortfolios und ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern, sämtliche Zeugnisse und Zertifikate dauerhaft online zu speichern und einzusehen sowie diese auf einfache und sichere Weise z.B. mit Arbeitgebern, Bildungseinrichtungen oder Anerkennungsbehörden zu teilen. Die Lernenden haben dabei die volle Kontrolle über ihre Daten; alle hier beschriebenen Prozesse sind DSGVOkonform. Gleichzeitig werden Anerkennungsprozesse durch die digitale Überprüfbarkeit der Echtheit und Gültigkeit der Nachweise enorm vereinfacht, was die Mobilität zum Lernen und Arbeiten in Europa erleichtert. 

 

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie bei der Umsetzung begegnen?

Insgesamt zielt die Arbeit rund um die EDB darauf ab, sicherzustellen, dass digitale Bildungsnachweise in ganz Europa leicht verstanden werden können. Da derzeit viele Initiativen für digitale Zeugnisse entwickelt werden, besteht eine der größten Herausforderungen darin, sicherzustellen, dass diese verschiedenen Systeme miteinander „sprechen“ und dieselben semantischen Standards verwenden können. Zu diesem Zweck wurde das „Europäische Lernmodell“ entwickelt. Eine weitere Herausforderung ist die Verwendung des elektronischen Siegels. EDB-Zugangsdaten werden durch ein E-Siegel digital signiert, das mit der EU-Verordnung eIDAS konform ist. Dank des E-Siegels haben EDB denselben rechtlichen Wert wie Papierzertifikate. Die Erlangung des E-Siegels kann manchmal eine Herausforderung sein. Das EDC-Supportteam kann jedoch in diesen Fällen helfen.  
 

Die Fragen stelle Franziska Bopp vom Nationalen Europass Center in der NA beim BIBB.

 

Koen Nomden,
Teamleiter Referat B.2 Skills Agenda, Generaldirektion Beschäftigung und Soziales,
EU-Kommission

Céline Jambon,
Referentin Referat B.2 Skills Agenda, Generaldirektion Beschäftigung und Soziales,
EU-Kommission