Landschaft auf den Lofoten © Lea Schumacher
Juni 2025
Am Carl-Reuther-Berufskolleg des Rhein-Sieg-Kreises in Hennef (CRBK) werden unter anderem Konditorinnen und Konditoren ausgebildet. Was diese leisten können, durften im März 2025 auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „20 Jahre Europass“ in Bonn erfahren. Mit einer beeindruckenden Torte trugen die Berufsschüler/-innen des CRBK und ihre Lehrer/-innen zum festlichen Teil der Europass-Jubiläumstagung im Bundesinstitut für Berufsbildung bei. Doch wer verbirgt sich eigentlich hinter dem kulinarischen Zauberwerk und was hat das mit dem Europass zu tun? Wir fragten nach und gewannen Einblick in die Welt eines äußerst spannenden Berufskollegs.
Antje de Vries ist Lehrerin für Ernährungs- und Versorgungsmanagement am CRBK. Zugleich koordiniert sie mit ihrem Team seit acht Jahren die europäischen Aktivitäten der Schule. Vor dem Hintergrund einer sich rasch verändernden Arbeits- und Berufswelt fördert das CRBK die internationale und berufliche Handlungskompetenz der Lernenden in der dualen Berufsausbildung und in den Vollzeitbildungsgängen. Das Berufskolleg ist akkreditierte Einrichtung im Programm Erasmus+ und bietet den Schülerinnen und Schülern mehrmals im Jahr die Möglichkeit, bei europäischen Partnern Praktika zu absolvieren. Ziele sind dabei zum Beispiel Dänemark, Finnland, Norwegen, Spanien oder Polen. Zusätzlich sei es auch möglich, Auslandspraktika in Ländern zu absolvieren, in denen es keine Partnereinrichtung gebe, ergänzt de Vries. Dann müssen die Schülerinnen und Schüler sich jedoch selbst um einen entsprechenden Praktikumsplatz kümmern. Die Schule berät und unterstützt sie dabei, kümmert sich um vertragliche oder versicherungstechnische Dinge sowie die Vor- und Nachbereitung der Aufenthalte.
„Da wir Schule des Rhein-Sieg-Kreises sind, haben wir einen großen Einzugsbereich“, erzählt Antje de Vries. Rund 2.500 Schülerinnen und Schüler besuchen das CRBK, dessen fachliches Angebot breit gefächert ist. Es reicht von Ernährungs- und Versorgungsmanagement bis zu IT, Mechatronik, Elektro-, Metall-, Bau-, Farb- und Holztechnik. In allen Bereichen kommt der Internationalisierung eine große Bedeutung zu. Dazu Antje de Vries:
Nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels müssen wir etwas tun, um für potenzielle Schülerinnen und Schüler interessant zu sein. Über Erasmus+ und die Chance auf einen Auslandsaufenthalt machen wir die berufliche Bildung attraktiver und bereiten die Lernenden zugleich auf Themen wie Globalisierung und eine international vernetzte Digitalisierung vor. Last but not least eröffnen wir ihnen so auch kulturell neue Horizonte.“
Begonnen hat die Geschichte mit Europa bereits in den 1980er Jahren, seinerzeit in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Bonn-Rhein-Sieg und dem deutsch-französischen Sekretariat. Der regelmäßige Austausch über Erasmus+ und seine Vorläuferprogramme (Leonardo da Vinci) begann 2006 mit einem Anruf aus Dänemark. Es folgten erste Besuche und Gegenbesuche, der Europass Mobilitätsnachweis wurde von Beginn an zur Dokumentation der erworbenen Kompetenzen genutzt. Seit 2021 ist das CRBK in Erasmus+ akkreditiert. Das schafft Planungssicherheit und fördert den strategischen Gedanken der Aktivitäten.
Die Zahl der ausgestellten Europässe konnte in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesteigert werden, sie liegt am CRBK – trotz zwischenzeitlicher COVID-19-Flaute – bei rund 60 Dokumenten pro Jahr. Antje de Vries betont, dass der Europass bei den Lernenden große Anerkennung erfahre:
Der Europass Mobilität ist ein tolles Instrument. Um dem im schulischen Kontext Gewicht zu verleihen, zelebrieren wir seine Verleihung in der Regel in einem festlichen Rahmen, auch um die Schülerinnen und Schüler sowie die beteiligten Lehrenden zu würdigen. Die Schülerinnen und Schüler sind oft überrascht, dass sie ein solch schönes Dokument bekommen, das sehr professionell aussieht und aussagekräftiger ist als ein Praktikumszeugnis. Das kommt letztlich ihnen selbst und ihren Bewerbungsunterlagen zugute.“
Ein inhaltlicher Schwerpunkt am CRBK ist die Ausbildung von Konditorinnen und Konditoren. Antje de Vries hält Auslandserfahrung gerade in diesem Bereich für sinnvoll, „da Kulinarik einfach länderübergreifend“ sei. Das gelte gerade für eine so kreative Branche wie die Patisserie, die sowohl durch traditionelles Handwerk als auch durch immer neue Trends und Entwicklungen gekennzeichnet sei. So könnten die Schülerinnen und Schüler im Ausland viel über Techniken, Rezepturen und kreative Extras lernen, beispielsweise im Dessertbereich.
Lea Schumacher bestätigt dies. Sie hat ihre Ausbildung gerade erfolgreich abgeschlossen und war im Frühjahr 2024 für drei Wochen auf den norwegischen Lofoten, um dort in der Hotelpatisserie zu arbeiten. Auch wenn man Norwegen auf den ersten Blick nicht unbedingt mit Spitzenpatisserie zusammenbringen mag, war sie beeindruckt, was sie während ihrer Zeit im hohen Norden erleben durfte: „Ich konnte mir viele spannende Dinge anschauen und mich auf neue Produkte und Prozesse einlassen. Der Fokus lag sehr stark auf dem Dessertbereich. Dabei konnte ich sehr kreativ sein und vieles ausprobieren.“
Schumacher glaubt, dass die skandinavischen Länder in Sachen Patisserie häufig unterschätzt werden. Das Besondere für sie war zudem, wie entspannt die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ihre Arbeit absolvierten. „Von dieser Mentalität können wir vieles lernen“, glaubt sie. Nicht zuletzt deshalb kann sie sich gut vorstellen, noch einmal ins Ausland zu gehen und in neue Bereiche hineinzuschnuppern. Der Europass Mobilität kann ihr dabei eine wichtige Hilfe sein, zumal er dokumentiert, was Lea Schumacher in Norwegen gemacht und welche Kompetenzen sie erworben hat. Das reicht weit über das Fachliche hinaus, auch die Begegnung mit den Menschen, der Kultur und der Sprache haben die 22-Jährige fasziniert. Und last but not least natürlich auch die spektakuläre Landschaft der Lofoten.
Zurück nach Hennef. Neben dem Europass Mobilität kommt am CRBK auch der Europass Lebenslauf zum Einsatz, vor allem dann, wenn die Schülerinnen und Schüler sich direkt auf ihre Auslandspraktika bewerben. Erstellt wird der Europass Lebenslauf im Europass-Portal, der EU-Plattform für Bewerbung und Jobsuche. Antje de Vries sieht viele Vorteile in dem international gängigen Format sowie in den Tools des Europass-Portals, das registrierten Nutzerinnen und Nutzern zudem die Möglichkeit bietet, ein persönliches Profil zu erstellen und ihre Daten zu verwalten sowie kontinuierlich anzupassen Sie kann sich perspektivisch vorstellen, die verschiedenen Funktionen des Portals sowohl beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen als auch fachbezogen einzusetzen, zum Beispiel im Sprachunterricht oder zur Erfassung der digitalen Kompetenzen. Anregungen dafür bieten die neuen Unterrichtsmaterialien, die seit Ende 2024 für den Einsatz ab Klasse 8 vorliegen und eine Handreichung für Lehrkräfte sowie fünf Arbeitsblätter zu den wichtigsten Tools des Europass-Portals sowie interaktive Übungen umfassen. Die Unterrichtsmaterialien stellt das Nationale Europass Center kostenlos zur Verfügung.
Zu den Europass-Unterrichtsmaterialien
Europass ist ein kostenloser Service der EU für das Lernen und Arbeiten in Europa. Er hilft beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen, bei der Karriereplanung sowie der Dokumentation von Kompetenzen und dem Vergleich von Qualifikationen. Europass besteht aus dem Europass-Portal, das u.a. Tools für Bewerbung und Jobsuche sowie zur Selbsteinschätzung von Kompetenzen bietet, aus den Europass Dokumenten Mobilitätsnachweis, Europass Zeugniserläuterungen und Diploma Supplement sowie aus den European Digital Credentials for Learning, einer digitalen Infrastruktur, mit der fälschungssichere digitale Zeugnisse ausgestellt, überprüft, gespeichert und geteilt werden können.
Text von Manfred Kasper